Tagelang keine Nachricht von Yasir. Getwittert hat er auch nicht. Mehrere unterschiedliche Horrorszenarien im Kopf. (Neben all den anderen afghanischen Horrorszenarien.) Aber schließlich meldet er sich, wenn auch übellaunig. Nun gut, jedenfalls ist er am Leben.
Ich werde aufhören, hier über Yasir zu schreiben. Gefragt habe ich ihn noch nicht, aber ich habe das Gefühl, es wäre ihm nicht Recht. Als Beweis, dass meine Handlungen das Tageslicht nicht scheuen müssen, habe ich ja immer noch den WhatsApp-Verlauf.
Ich lese „Shadow City“ von Taran N. Khan. Sie geht durch die Stadt, obwohl man ihr abgeraten hat, sich in Kabul zu Fuß zu bewegen, und notiert, was sie sieht. Dabei ist das Gehen etwas sehr Besonderes für sie:
„I have a complicated relationship with walking. This has a lot to do, I suspect, with having grown up in Aligarh, a city in northern India, where walking on the streets came with intense male scrutiny, and the sense of being in a proscribed space. As a woman stepping out into its thoroughfares, I needed a reason to place my body on the street. I learned to display a posture of ‚work‘ while walking, and to erase any signs that may hint at my being out for pleasure, for no reason at all other than to walk.“
Das erinnert mich an einen Familienurlaub auf Sizilien, wo ich – siebzehn Jahre alt – eines Abends den höflichen Gruß eines Fremden ebenso höflich beantwortete. Unsere Vermieterin wies mich darauf hin, dass ein anständiges Mädchen das besser nicht täte. Ich, wieder einmal die Familiendolmetscherin und deshalb mit jedweden Verhandlungen über Fahrkarten, Besichtigungen o.ä. betraut, hätte nämlich einen Ruf zu verlieren. Soziale Kontrolle, auch über gerade noch minderjährige Touristinnen.